Women Musicians from Syria:
Performance, Networks, Belonging/s after Migration
Ein Forschungsprojekt am MMRC, gefördert vom FWF Österreischischer Wissenschaftsfonds
Projektbericht:
Dieses Forschungsprojekt erforschte das Leben und die Musik von Musikerinnen aus Syrien, die nach dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs nach Österreich und Deutschland migrierten und hier ihre musikalische Tätigkeit fortsetzten. Das Projekt dokumentierte Netzwerke, Möglichkeiten, Auftritten und Veröffentlichungen ausgewählter Musikerinnen mittels Interviews und teilnehmender Beobachtung und erkundete dadurch ihre Biografien und (musikalischen) Aktivitäten in ihrem Leben nach der Migration. Es wird gezeigt, welche Zugehörigkeit(en) – auf emotionaler und institutionalisierter Ebene – im Leben und in der Musik der Musikerinnen relevant sind. Ist es für wichtiger, Syrerinnen, Migrantinnen/Flüchtlinge, Frauen oder Mütter zu sein, oder ist es wichtiger, muslimisch, in einem bestimmten Alter, Musikerinnen, Künstlerinnen oder Alawitinnen zu sein? Wie hängen diese Aspekte voneinander ab und wie beeinflussen sie sich gegenseitig? Wie verändern sich Zugehörigkeitsgefühle und Zugehörigkeitspolitik in verschiedenen Situationen und im Laufe der Zeit, insbesondere nach der Migration? Wie beeinflusst die Kategorisierung als „Flüchtling“ oder „Syrerin“ Emotionen von Zugehörigkeit? Und vor allem: Welche Aspekte der Zugehörigkeit sind in der Musik präsent und dargestellt, und wie werden sie durch Musik aufgeführt und vermittelt? Wie hat sich dies mit der Migration verändert?
Indem wir Individuen und ihre Erfahrungen in den Mittelpunkt der Forschung stellten, konnten wir die Vielzahl möglicher Zugehörigkeiten in den Blick nehmen, und der Darstellung einer kohärenten syrischen Diasporagruppe effektiv entgegenwirken. Zugehörigkeit wird als ein Prozess verstanden, als veränderbar und als abhängig von anderen Zugehörigkeiten. Dies wird in musikalischen Aufführungen und im Musikleben besonders deutlich. Zugehörigkeiten können von musikalischen Netzwerken über familiäre Beziehungen, Religionsgemeinschaften, Nationalitäten bis hin zu einer von außen definierten Gruppe wie „Migrant*innen“ reichen und auch strukturelle Kategorien wie Geschlecht und Klasse einbeziehen. Durch die enge Zusammenarbeit mit vor allem vier Musikerinnen hat diese Forschung gezeigt, dass Zugehörigkeiten, die in der Musik und darüber hinaus relevant werden, sowohl von verschiedenen Assoziationen von Zugehörigkeit abhängen, als auch vom Kontext und der Absicht, bestimmte Zugehörigkeiten zu präsentieren.
Da ein wesentlicher Teil der Feldforschung mit der COVID-19-Pandemie zusammenfiel, liefert diese Untersuchung auch wertvolle Daten darüber, wie migrierte Musikerinnen mit den spezifischen Herausforderungen wie sozialer Distanzierung und den Wegfall von Aufführungsmöglichkeiten umgingen.
Während des Projekts konnten wir außerdem den Fokus in zwei Richtungen erweitern. Erstens führten wir eine ethnografische Fallstudie zu einer speziellen Konzertreihe durch, bei der ethnisch markierte Musikerinnen in einem klassischen Konzertsaal auftraten; eine syrische Sängerin, mit der wir eng zusammengearbeitet hatten, war Teil der Konzertreihe. Zweitens führten wir eine vorläufige Studie über queere musizierende Menschen aus Syrien durch, und begegneten damit einer Forschungslücke, die sich in der Anfangsphase der Forschung herauskristallisiert hatte.
Projektleitung: Anja Brunner
Projektmitarbeit: Tessa Balser-Schuhmann (2020–2024), María del Mar Ocaña Guzmán (2023–2024)
Projektlaufzeit: 01/2020 bis 12/2024, am MMRC seit 04/2021 (davor an der Universität Wien)
Finanzierung: FWF Österreichischer Wissenschaftsfonds
Elise-Richter-Programm Grant-DOI 10.55776/V706
Projekt-Website: https://anjabrunner.at/