Sounds of Trauma: Naga Song Responses to Political Conflict
Ein Forschungsprojekt am MMRC, gefördert vom FWF Österreischischer Wissenschaftsfonds
Kurzbeschreibung:
Wie wird Musik zum Mittel der Artikulation unterdrückter politischer Ansichten und der Verarbeitung von Traumata aus kolonialen und postkolonialen Konflikten, die von exzessiver militärischer Gewalt geprägt waren?
Das Projekt untersucht diese Frage aus einer interdisziplinären Perspektive am Beispiel der Nagas, einer südasiatischen ethnischen Minderheit, indem Ethnomusikologie, Oral History, Traumaforschung und postkoloniale Studien verbunden werden. Seit Generationen leben zahlreiche kulturell unterschiedliche Naga-Völker im östlichen Himalayagebiet in einer Region, die heute den indischen Bundesstaat Nagaland sowie Teile von Assam, Manipur, Arunachal Pradesh und des nördlichen Myanmar umfasst. Seit 1832 hat diese Region durch Kolonisierung, Missionierung und westliche Einflüsse tiefgreifende soziale, kulturelle und politische Veränderungen erlebt. Zudem gingen koloniale und postkoloniale Konflikte oft mit militärischen Interventionen einher, die den Nagas großes Leid brachten. So kämpften nach einem Jahrhundert gewaltsamer britischer Kolonisation britische und japanische Truppen während des Zweiten Weltkriegs in der Region, was Naga-Dörfer zwischen die Frontlinien brachte. Nach der Unabhängigkeit Indiens im Jahr 1947 führten die Forderungen des Naga National Congress und seiner Nachfolgeorganisationen nach einem souveränen Naga-Staat zu einem sechs Jahrzehnte dauernden Konflikt zwischen Aufständischen und der indischen Regierung. Während dieser Zeit bestrafte das indische Militär die Unterstützung der Zivilbevölkerung für die Aufständischen, indem ganze Dörfer abgebrannt und Bewohner:innen in Lager verschleppt wurden, während andere Familien jahrelang im Dschungel lebten oder ins Ausland flohen.
Naga-Musiker:innen haben diese kolonialen und postkolonialen Zusammenstöße in Liedern über Freiheitskämpfer:innen, den Guerillakrieg der Naga-Armee, und das Streben nach nationaler Unabhängigkeit thematisiert. Anhand dieses Repertoires untersucht das Projekt durch Feldforschung und Online-Ethnografie die Art und Weise wie Lieder Unabhängigkeitsbewegungen der Nagas unterstützt haben. Es geht um die sozialen Milieus der Entstehung solcher Lieder, die Geschlechterrollen in Kompositions- und Aufführungsprozessen und wie die weltweite Verbreitung solcher Lieder über das Internet Zusammengehörigkeitsgefühle zwischen Naga-Völkern und ihrer Diaspora gefördert hat. Darüber hinaus untersucht das Projekt durch musikalische Analysen die Bedeutungen, Musikstile und indigenen ästhetischen Wahrnehmungen von politischen Liedern der Nagas anhand von Feldaufnahmen, Onlinequellen und historischen Aufnahmesammlungen. Durch die Kombination dieser methodischen Ansätze wird das Projekt Aufschluss darüber geben, welche Rolle Musik für Nagas bei der Verarbeitung historischer Traumata kolonialer und postkolonialer Repression gespielt hat und wie sozialer, kultureller und religiöser Wandel die Thematisierung politischer und militärischer Konflikte im Laufe der Zeit verändert hat.
Projektleitung: Christian Friedrich Poske
Projektlaufzeit: 2024-2027
Finanzierung: Österreichischer Wissenschaftsfonds FWF Grant DOI 10.55776/ESP696